Elektronik an Bord: ein flexibles Thema
Als Elementar-Segler verzichtet man/frau ja gerne auf jegliche Elektronik. Punkt. Erstens hat man Segeln im Blut, zweitens hat Columbus auch keinen elektronischen Schnickschnack besessen, und drittens will die Gerätschaft niemand bedienen. Wo bleibt da die Romantik, das Gefühl von Unabhängigkeit und „out of control“? Wir gehen segeln, weil wir eben nicht von Elektronik und Kommunikationsgeräten fremdbestimmt werden wollen.
So die Überzeugung, welche gern mal bunt und realitätsfern daherkommt.

Sicherheit durch viel Bord-Elektronik?
Mit zunehmenden Alter denkt Mensch mehr an Sicherheit. Vorbei die Zeiten, wo man bei der Kieler Woche nach 2 Stunden Segelkampf immer noch keine Startlinie gefunden hat, weil Sturm und Sauwetter die Foxtrott-Bahn im Nirwana verschwinden ließ. Als nur noch große Containerschiffe den Weg der Jolle kreuzten, und sich die Frage nach der Weltumsegelung im 470er stellte. Jung sterben haben wir verpaßt, jetzt wollen wir alt werden. Also Sicherheit.
Bootsmessen: der Ort, der Überredung
Die Messesaison beginnt, und die Verkäufer der Schiffselektronik üben sich schon im emotionalen Verkaufsgespräch. Selbst beim Minimalisten und Zweifler wird mit dem Begriff „Sicherheit“ jede Gegenargumentation totgeschlagen. Ist der Verkäufer dann noch vom Fach und gut über sein Produkt informiert, ist das Bedürfnis nach einem neuen? oder moderneren? oder größeren? elektronischen Hilfsmittel = Sicherheit geweckt.
Hobby-Elektroniker, die gerne immer das neueste Spielzeug besitzen wollen, sind in dem Fall fein raus, denn das neue Gerät kann unter dem Sicherheits-Aspekt der Ehefrau gut verkauft werden. Aber wir „Nicht-Haben-Woller“ stehen im Regen …
K I S S
– keep it small and simple –
scheint schwierig zu sein, der KUISS
Wo geht die Reise hin, wenn man als Bootbesitzer mehr Zeit damit verbringt seine Technik zu erlernen und Instrumente zu kapieren, als einfach hinaus zu segeln? Ein Studiengang „Boot und Elektronik“ scheint sinnvoll. 4 Semester Pflicht bevor man ein Boot erwerben darf. NMEA und NMEA 2000, CAN, Wetterfax, Radar mit Laptop und USB, WLAN, Wellenlänge, GPS, Oktokoppler, Fernseher, Funk, … alles vernetzt und möglichst multikompatible. Und die Daten von Log, Lot, Wind und Strömung wollen auch elektronisch erfaßt werden. Der Autopilot ist steuerbar mit iPad, nebenher wird der Blog in Echtzeit aktualisiert und am Laptop die Reise geplant.
Wenn die Technik Hand in Hand läuft und reibungslos funktioniert, ist die Datenwelt praktisch. Was aber, wenn unterschiedliche Komponenten-Hersteller und Elektronik-Generationen zusammentreffen? Wird dann nicht unverhältnismäßig viel freie Zeit mit Problemlösungen verplemmpert?
Und ist es nicht so gewollt, daß alles elektronische eine kurze Halbwertzeit besitzt? Und danach? Neu kaufen und wieder basteln? Menschen, die dies mit Leidenschaft tun und Technik interessant finden, will ich hier nicht ansprechen. Jeder pflegt ja neben dem Segeln meist noch ein weiteres Hobby wenn er mit dem Boot unterwegs ist: Wettkampf, Natur, Fotographieren, Lesen, Kochen, Angeln oder eben Technik … alles mehr oder weniger. *zwinker*
Welche Schiffs-Elektronik ist wirklich notwenig auf großer Fahrt?
Der Blick auf unseren Elektroplan läßt auch bei uns die Idee von „einfach“ und „minimal“ zur Farce werden. Es würde uns aber schon interessieren, wie es auf anderen Booten aussieht, die zu längerem „Leben darauf“ genutzt werden, und das Ziel auch abgelegene Regionen sein soll.
Was meint Ihr? Wir haben keine Ahnung, haben uns aber entschieden für …
- UKW-Funk
- GPS
- kleinen Kartenplotter
- AIS
- Aktiven Radar-Reflektor
- Wetterfax FMD 25 (ist wohl unkaputtbar)
- Autopilot (den hatten wir schon am See)
Navigation am Laptop oder iPad scheint uns nicht sinnig, da der Stromverbrauch und die Ladezeiten zu hoch sind. Dabei haben wir es trotzdem, weil wir es eh haben.
- Open CPN am Lappi
- iPad mit vielen Apps
- Velocitek
- Handy
Wie ist Eure Meinung dazu?
Wieviel Bord-Elektronik tut gut?
Sind gespannt…
Ahoi ….. Ulli + Michl
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Hallo Ulli und Michl,
Ihr habt recht, KISS ist nett, aber in der heutigen Welt der Elektronik scheint der Vorsatz schon ein bisschen überstrapaziert. In Wahrheit kenn ich keinen Langfahrt-Segler mehr, die nicht auf Elektronik zählen. Und auch wenn das vielleicht übergeschnappt klingt, aber „Sicherheit“ ist heute nicht mehr das einzige Argument, denn in Wahrheit ist elektronische Navigation auf Dauer ganz einfach auch billiger. Zumindest, sobald es um etwas abgelegene Segelrouten und Ziele geht (Papier-Seekarten für Grönland: ab 60 Dollar das STÜCK…)
Also hier unsere Liste der Elektronik:
das wichtigste an Bord: Amateurfunk mit Pactor und Netbook (zum Empfang für Wetterdaten)
Navigation:
Netbook mit externer GPS-Antenne und OpenCPN und Seekarten CM93 weltweit (ist unser Hauptnavigation, wir haben aber ein Steuerhaus, weshalb der Laptop sehr gut geschützt steht und alle Infos direkt beim Steuermann sind). Wir sind mit unserem Netbook sehr zufrieden und der Stromverbrauch ist bei uns an Bord kein Thema, soviel Strom muss eben sein. Das Netbook läuft eigentlich immer. Zweites sehr wichtiges Programm am Netbook ist WXTide. Das Netbook wird NICHT im Internet verwendet und nicht mit anderen Daten angefüllt. Es besitzt eine Festplatte, sondern nur einen Datenträger, da dieser weniger anfällig scheint und weniger Energie benötigt.
Dazu ein Standard Horizont Kartenplotter, den kleinsten, da wir den billigsten genommen haben. Heute würden wir mit Sicherheit ein wenig mehr Geld in die Hand nehmen und ein größeres Gerät kaufen, da wir mit dem Gerät an und für sich sehr zufrieden sind. Aufpassen muss man allerdings bei der Wahl der Marke, da die guten Hersteller alle paar Jahre ihre Seekarten-Formate wechseln und man keine Karten fürs nächste Seegebiet mehr bekommt. Mit dem Standard Horizont und den C-Map Karten haben wir aber bisher noch keine derartigen Probleme.
Als Backup mein Macbook mit externer GPS Antenne. Ebenfalls mit OpenCPN und den CM93 Weltweit bzw. alle gratis Karten, die wir so in die Finger bekommen. Das Macbook ist eigentlich unser Laptop für alles andere, wie Homepage schreiben, Bücher schreiben, Internet, E-Mails,… Zum Navigieren währe es nur die Notlösung.
Außerdem liegen zwei alte Hand-GPS herum. Wir achten darauf, auch Batterien für die beiden Stücke zu haben.
Radar – kann unserer Meinung nicht durch AIS ersetzt werden, da es auch Eis, Schiffe ohne AIS und andere treibende Objekte anzeigt. (Ich weiß, auf klassischen Schmuckstücken wie eurer Safari ist ein Radar immer so eine Sache, aber auf LA BELLE EPOQUE ist das völlig Wurscht…)
Echolot: ganz normales Teil dass nur Zahlen gibt und es sehr liebt, immer wieder mal zu spinnen. Daher kommt bei uns an Bord das Handlot leider öfter als mir lieb ist zum Einsatz…
Iridium Satellitentelefon – ist nur ein Backup in extremen Gebieten um Wetterdaten zu empfangen, wenns auch mal keine Funkverbindung gibt. Eine Siamkarte kaufen wir also nur, wenn wir in remote Gebiete aufbrechen (Arktis, und hoffentlich mal die Antarktis)
UKW Funk – ist eher etwas für den Spaß mit anderen Yachten direkt neben einem zu Tratschen. Wir verfolgen eigentlich kaum die Wetterberichte auf UKW und die Schiffsmeldungen betreffen uns meistens nicht. An Bord gehört wohl trotzdem.
AIS – hätten wir unwahrscheinlich gerne, aber dafür müssen wir eben noch ein bisschen sparen ;-) Immerhin haben wir gerade in neue Segel, neues Dingi, neuen Spibaum und so weiter investieren müssen… Aber unserer Meinung ist AIS (das auch sendet) absolut sinnvoll.
Wir haben noch Seekarten in Papier an Bord, nützen sie aber eigentlich kaum und haben damit nur lückenhafte Abdeckung. Genug eben, um in einem extremen Notfall doch noch an eine Küste zu finden. Ja, wir haben einen alten Sextanten an Bord, aber der ist kein „Sicherheitsgewinn“, da wir nicht die nötigen Tafeln bei uns haben. Wir vertrauen auf GPS vorbehaltlos. Sollte einmal ein Problem mit Netbook, Macbook und Kartenplotter auftreten, werden wir mit HandGPS und Karten in einen Hafen finden.
Und ja, wir haben drei verschiedene Batterie-Bänke an Bord. Der Ausfall der gesamten Elektrik ist daher eher unwahrscheinlich.
Mein Fazit zu Elektronik an Bord: Ich wollte anfangs von Elektronik nicht wirklich viel wissen, bin aber mittlerweile der Meinung, dass es extrem toll ist, was Elektronik heute alles kann und würde in mehr Elektronik investieren, wenn ich könnte. In meinen Augen gehört es zur guten Seemannschaft, die navigatorischen Möglichkeiten der heutigen Zeit zu nützen so gut man kann. Das ist nicht unromantisch oder sicherheitsfanatisch, sondern einfach nur Stand der Zeit. Immerhin hätte sich selbst Kolumbus in die Hose gemacht, wenn er im dichten Nebel plötzlich vor einem Supertanker gekreuzt wäre ;-)
Sende euch recht liebe Grüße aus dem Pazifik
Claudia
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Liebe Claudia,
danke für Deine informativen Zeilen. Ich gebs ja zu, wir haben im Vorfeld unserer Anschaffungen schon auf Deiner Internetseite gestöbert … :-) Danke hier nochmals für die Open CPN Infos :-). Auch wir haben ein netbook nur für die Navigation. Allerdings segeln wir natürlich überaus naß, weswegen auch ein Kartenplotter (klein) am Niedergang angebracht ist.
Bei uns ist die Elektronik-Begeisterung beruflich gesehen auf dem Tiefpunkt angekommen. Vielleicht bessert sich dieser Zustand mit etwas Abstand wieder.
Im Unterschied zu Euch fehlt eigendlich nur Radar und die große Funkanlage. Dafür haben wir noch AIS und einen aktiven Radarempfänger.
Aber jetzt wird endlich gestartet, und dann sehen wir weiter.
Beste Grüße in den Pazifik
Ulli
Jet
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Hallo!
Für den jährlichen Segelurlaub tun es auch noch die einfachsten Lösungen.
Ist das Ziel über Jahre in den unterschiedlichsten Gegenden unterwegs zu sein wirds schon komplizierter. Ich glaube, es kommt immer auf die persönlichen Bedürfnisse und die Reisegegend an. Es ist aber auch kaum jemand in der Lage sein Schiff von Grund auf neu auszustatten bevor er los segelt und dann lebt man halt eben mit dem einen oder anderen Kompromiss.
Wir sind seit 2011 in den warmen Gefiehlden unterwegs und wir würden die Ausstattung unseres Schiffes als einfach bezeichnen.
Was ist bei uns an Bord?
-Log/Echolot als eigenständige Einheiten.
-Fishfinder ist toll um den Ankergrund besser zu beurteilen und Backup zum Echolot
– VHF Funkgerät mit integriertem AIS und Annäherungsalarm
– Netbook + GPS Maus + AIS vom Funkgerät für die Navigation ( zwei Netbooks in Ersatz)
OpenCpn mit CM93 Karten und gescannten Papierkarten
SAS Planet mit mehreren Satelitenaufnahmen unterschiedlicher Anbieter( Für den Pazfik und abgeglegene schlecht kartografierte Gebiete ist dieses Programm absolut traumhaft, zeigt auch GPS Position an)
– AIS Transponder
– SSB + Pactor für Wetter
– elektrischer Autopilot ( 2 mal in Ersatz)
Es ist immer noch weit verbreiteter Irrglaube dass Elektronik für FREIZEITyachten dem hohen Industriestandard entspricht, Salz, Sonne und Schläge wegsteckt und den Geist erst aufgibt wenn das Lebensalter zweistellig geworden ist.
Wer nimmt an dass sein neu erworbenes Smartphone in fünf Jahren noch einwandfrei funktioniert? Aus gutem Grund nur wenige.
Deshalb ist es auch empfehlenswert für den Einsatz in der harschen Umgebung aus See vorzusorgen. Unsere Herangehensweise an diese Tatsache ist dass alle wirklch esentiellen System doppelt vorhanden sind.( Navigation=Netbook, Autopilot, Echolot)
Welche Dinge wären Nice to have?
Tablet mit wasserdichten Gehäuse für Navigation und AIS.
Radar – wär in manchen Situationen eine Ergänzung fürs Navigieren gewesen.
Den wichtigsten Punkt den man vorm Aufbrucht nicht vergessen sollte, ist Energie. Was für uns die Luft zum Leben ist für die Elektronik der Strom.
Wir sind auf der Barfußroute unterwegs und es klagen rund der Hälfte der Eigner über zu wenig Strom. Meist sind es die mittelgroßen Yachten wo Teile der Ausstattung dann einfach nicht verwendet werden weil nicht genug Strom zur Verfügung steht und es dann doch nicht so angenehm ist täglich Generator/Motor laufen zu lassen.
Mein beruflicher Fokus war schon vor der Reise auf Energie gerichtet und Stromversorgung aus erneuerbaren Quellen für autonome Einheiten mein Spezialgebiet.
Es ist wahrscheinlich gerade deshalb für mich immer wieder erschütternd bei den Zusammenkünften von Seglern Aussagen zu hören wie „Den Plotter schalten wir bei Überfahrten nur alle paar Stunden ein“, „Ich halte sowieso Wache wozu all die Navigation laufen lassen“….
Doch die Energieversorgung einer Fahrtenyacht ist wieder ein anderes Thema.
Sicherheit bedeudet für mich unter anderem auch alle vorhandene Elektronik zuverlässig jederzeit betreiben zu können.
Liebe Grüße aus Fiji
David
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Danke David, für Deine Elektronik-Liste und die Infos. Erstmal Danke, haben wir doch nochmals was gelernt: SAS-Planet, war uns bisher nicht bekannt.
Ich denke auch, daß man sich vor der Fahrt informiert und nach guten Gewissen und Können ausbaut und dann im nachhinein eben mit dem einen oder anderen Kompromis leben wird, weil auch die eigenen Ansprüche und die Anforderungen sich verändern können.
Deine Antwort in Verbindung mit der Antwort von Claudia, die in den eisigen Breitengraden unterwegs war zeigt mir, daß wir auf der Safari ziemlich richtig liegen. Alles irgendwie zweifach vorhanden, genügend Energie … jetzt schauen wir mal ..
Nur der Radar …. der paßt nicht auf den Klassiker, da bleib ich eisern (noch) ;-)
Sag mal: Thema gescannte Karten, wo verwendest Du die?
Beste Grüße nach Fiji
Ulli